Ein Artikel von Dedicated Sports Coach Matthias Wallner
Gerade im Fitness- und Kraftsport erfreuen sich neben traditionellen Regenerationsmaßnahmen wie Massagen, Sauna, Kompressionskleidung oder Kältetherapie, Tools wie Massagepistolen, Foam Roller oder Lacrosse Bälle immer größerer Beliebtheit. In diesem Artikel soll die Frage beantwortet werden, ob dieser Boom gerechtfertigt ist und wenn ja, welche Vorteile der Einsatz von Regenerationsmaßnahmen im Kraftsport hat, oder ob finanzielle Interessen im Vordergrund stehen.
Wieso Regenerationsmaßnahmen?
Training stellt Herausforderungen an den Körper dar und zielt darauf ab, seine Kapazitäten zu vergrößern und Belastungstoleranz anzuheben. Bei körperlicher Aktivität wirken physische Kräfte auf das Muskel-Skelett-System. Der Körper reagiert auf diese Belastungen mit Adaptionen des aktiven und passiven Bewegungsapparats. Die meisten körperlichen Anpassungen passieren jedoch nicht während des Trainings, sondern während Erholungsphasen.Wird dem Körper nach Belastungen nicht genügend Zeit gegeben, um sich zu regenerieren, kann dies über einen längeren Zeitraum zu Überlastungen des Muskel-Skelett-Systems führen und mit Leistungsabfall einhergehen. Das richtige Verhältnis von Belastung und Erholung ist daher entscheidend für das Funktionieren eines Trainingsplans.Die Professionalisierung von Sport hat es Athleten und Athletinnen ermöglich mehr Zeit in ihr Training zu investieren. Aufgrund des vermehrten Trainings bleibt Leistungssportlern und Leistungssportlerinnen aber oft nicht genügend Zeit, um sich zwischen Trainingseinheiten vollständig zu erholen. Um dies zu verhindern, wird im Leistungssport versucht durch Regenerationsmaßnahmen die Erholungsphasen zu optimieren und die Leistungswiederherstellung zu beschleunigen.Bekannte Beispiele aus dem Kraftsport sind hierzu die beiden Strongmen Brian Shaw und Hafþór Júlíus Björnsson. Brian Shaw spricht in mehreren seiner YouTube-Videos darüber, wie wertvoll Regenerationsmaßnahmen für ihn sind. Neben unterschiedlichen Massageformen und VooDoo Flossing schwört er vor allem auf Kontrastbäder. Auch Hafþór Júlíus Björnsson nutzt kalte und warme Wechselbäder zur Unterstützung der Regeneration.Ein weiteres prominentes Beispiel für den Einsatz von Regenerationsmaßnahmen ist der ehemalige olympische Gewichtheber Dimitry Klokov. Laut ihm sind Sauna und Ganzkörpermassagen wertvolle Mittel zur Beschleunigung der Regeneration. Hier könnt ihr euch einen Eindruck davon auf seinem Instagramprofil verschaffen. Die Anwendung von Regenerationsmaßnahmen findet aber schon lange nicht mehr nur im Profisport Gebrauch, auch im Amateur- und Breitensport suchen immer mehr Sportler und Sportlerinnen nach Wegen, um ihre Erholung zu beschleunigen.
An welchen Parametern kann Regenration bemessen werden?
Um den Nutzen von Regenerationsmaßnahmen messen zu können, müssen Parameter bestimmt werden, die aussagekräftig für den Erholungs- beziehungsweise Leistungszustand sind. Der wichtigste Parameter hierzu ist die Leistung. Forschungen zu Regenerationsmaßnahmen sollten daher primär untersuchen, welchen Einfluss der Einsatz von Regenerationsmaßnahmen auf die Leistung hat. Denn nur so ist es möglich einen direkten Zusammenhang zwischen der angewandten Regenerationsmaßnahme und der Leistung herzustellen.Neben der Leistung gibt es aber noch andere indirekte Parameter, an denen sich der Erholungszustand beurteilen lässt. Dazu zählen Blutwerte und „DOMS“. Unter DOMS versteht man den Muskelschmerz und das Steifigkeitsgefühl, welche vor allem nach ungewohnten Belastungen und exzentrisch betonten Kontraktionen auftreten, auf Deutsch Muskelkater.
Derzeitige Studienlage
Obwohl Regenerationsmaßnahmen mittlerweile nicht mehr nur im Spitzensport, sondern auch immer mehr im Amateursport ihren Einsatz finden, ist die Studienlage teilweise äußerst kontrovers und ihr Nutzen noch unzureichend erforscht, um klare Empfehlungen abgeben zu können.Egal, ob Kälte- und Hitzeanwendungen, unterschiedliche Massageformen, Kompression oder eine Kombination verschiedener Regenerationsmaßnahmen, es existieren immer gegensätzliche Studienergebnisse hinsichtlich deren Nutzen. Trotz dessen zeigen viele der Studien positive Effekte auf DOMS, das subjektive Wohlbefinden und andere indirekte Parameter zur Beurteilung des Erholungszustandes durch die Anwendung von Regenerationsmaßnahmen.Einige Studien fanden zudem leistungssteigernde Effekte. Die kontroverse Studienlage ist vor allem auf unterschiedliche Studiendesigns zurückzuführen. Studien lassen sich nur selten miteinander vergleichen, da sie sich meistens hinsichtlich ihrer Belastungsprotokolle, Geschlecht/Alter/Leistungslevel der ProbandInnen, Größe und Dauer voneinander unterscheiden. Zudem variieren die Anwendungsprotokolle einer Regenerationsmaßnahme meist voneinander.
Soll ich Regenerationsmaßnahmen verwenden?
Die Frage ist nun, wie wir diese Informationen nutzen. Brian Shaw spricht sich in seinen YouTube Videos klar für einen Einsatz von Kontrastbädern aus. Die Forschung zu Kontrastbädern zeigt jedoch kontroverse und nicht eindeutig positive Ergebnisse.Dasselbe gilt für Sauna und Massagen, obwohl viele Videos und Fotos Dimitry Klokov beim Saunieren und Massieren zeigen und er sich in Interviews ganz klar für den Einsatz von Sauna und Massagen zur Beschleunigung der Regeneration ausspricht.Da laut der Forschung und der derzeitigen Studienlage noch keine klaren Empfehlungen hinsichtlich des Nutzens von Regenerationsmaßnahmen gegeben werden können, subjektive Erfahrungsberichte von Athleten und Athletinnen jedoch für die Anwendung von Erholungsmodalitäten sprechen, sollten Sportler und Sportlerinnen unterschiedliche Regenerationsmaßnahmen für sich selbst testen. Denn selbst wenn die unterschiedlichen Regenerationsmaßnahmen die Leistung nicht direkt positiv beeinflussen, sondern nur dazu führen, dass man sich besser fühlt oder dabei helfen sich nach einer anstrengenden Trainingseinheit zu entspannen, ist dieser Nutzen nicht zu vernachlässigen.Athleten und Athletinnen sollten sich jedoch im Klaren darüber sein, dass der eigene Trainingserfolg nicht davon abhängig ist, ob Regenerationsmaßnahmen angewandt werden oder nicht. Bevor man sich darüber Gedanken macht, sollten andere Punkte wie Schlaf und Ernährung so gut wie möglich optimiert werden. Außerdem muss die Trainingsplanung samt seinen Variablen (Volumen, Intensität, Frequenz, etc.) auf den Athleten/die Athletin abgestimmt werden.Ein auf Athlet X abgestimmter Trainingsplan mag für diesen ideal funktionieren. Es wäre jedoch möglich, dass Athlet Y mit demselben Trainingsplan wortwörtlich zu Grunde gehen würde, obwohl er nach jeder Trainingseinheit eine Regenerationsmaßnahme nutzt, einfach deshalb, weil die Variablen des Trainingsplans nicht auf ihn angepasst sind. Trotz dessen ist der Einsatz von Regenerationsmaßnahmen im Kraftsport durchaus zu befürworten, sollte jedoch als das i-Tüpfelchen angesehen werden.Für alle, die noch mehr zu dem Thema mit direkten Erfahrungen wissen wollen, kann ich folgende YouTube Videos empfehlen:
- Interview mit Klokov: https://youtu.be/vki1jhdWt2A?t=2676
- Brian Shaw: https://www.youtube.com/watch?v=KcPCh9yxDiU
- Hafthor: https://www.youtube.com/watch?v=xaDc4odQAiI